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Kolumne: Immer diese Ganz-wenig-Fleischesser!

Mahi Klosterhalfen Portrait
Mahi Klosterhalfen. Foto: Timo Stammberger

Was haben alle vegan lebenden Menschen gemeinsam? Sie regen sich mindestens drei Mal täglich über Menschen auf, die angeblich nur »ganz wenig Fleisch« essen.

Naja, vielleicht ist es nicht ganz so schlimm, aber Fleischreduzierer:innen und Flexitarier:innen sind in einigen Veganerkreisen immer wieder ein Stein des Anstoßes. Meistens ärgern wir uns darüber, dass diese Menschen nicht konsequenter handeln – oder wir glauben ihnen schlichtweg nicht. Wenn man die Vielzahl der Menschen, die angeblich nur »ganz wenig Fleisch« essen, mit den Statistiken zum Fleischkonsum abgleicht, dann gibt es auch tatsächlich Anlass zur Skepsis. Andererseits zeigen die Statistiken, dass der Fleischkonsum in Deutschland seit ein paar Jahren leicht sinkt, und selbst unter Fachleuten aus der Fleischindustrie gilt es mittlerweile als relativ klar ausgemacht, dass dieser Trend anhalten wird. Getragen wird diese Entwicklung nicht nur von vegetarisch und vegan lebenden Menschen – dafür sind wir noch zu wenige. Es sieht also ganz so aus, als würden die »Ganz-wenig-Fleischesser:innen« ihren Worten langsam aber sicher auch Taten folgen lassen.

Deshalb möchte ich heute eine Lanze für die Tierproduktreduzierer:innen brechen. Wer vegan lebt, hat ihnen einiges zu verdanken. Überall sprießen derzeit vegane Angebote aus den Böden, oder besser gesagt: aus den Mensen, Supermärkten, Restaurant-, Pizza- und Bäckereiketten. Wer glaubt, dass solch ein Wandel nur durch uns Veganer:innen ausgelöst wird, sollte sich vor Augen führen, dass wir nur rund ein Prozent der Menschen in Deutschland ausmachen. Kann ein Prozent solche Angebotswellen auslösen? Nein. Diese Angebote entstehen, weil es immer mehr Menschen gibt, die zwar tierliche Produkte konsumieren, aber von ihrem hohen Konsum herunterkommen wollen. Je nach Umfrage trifft dies auf rund 50 % aller Personen in Deutschland zu. Diese Menschen haben eine enorme Nachfragemacht und lösen eine Positivspirale aus, die so aussieht:

Die Nachfrage nach veganen Produkten wächst, das entsprechende Angebot wird größer und besser, deshalb greifen immer mehr Menschen zu und so weiter.

Von mir aus kann sich diese Spirale (möglichst schnell) immer so weiter drehen! Die Chancen dafür stehen auch gar nicht so schlecht, denn je größer das vegane Angebot ist, desto einfacher ist es, immer öfter vegan zu essen oder gleich komplett vegan zu leben – und desto mehr Menschen werden sich dafür entscheiden. Denn wie viele Menschen es erfolgreich über die vegane Hürde schaffen, hängt bildlich gesprochen nicht nur davon ab, wie motiviert die Menschen sind und ob gut sie springen können, sondern auch davon, wie hoch oder niedrig die Hürde liegt.

Fragen wir uns einmal, wie viele Menschen heute vegan leben würden, wenn das vegane Angebot jetzt noch so schlecht wäre wie vor 15 Jahren, als vegane Rezepte rar gesät waren und man noch lange Wege und hohe Kosten in Kauf nehmen musste, um irgendwo einen Liter scheußlich schmeckende Sojamilch zu bekommen. Vermutlich nicht sehr viele. Heute ist es zwar viel leichter, vegan zu leben, aber eine gewisse Anstrengung ist damit (vor allem am Anfang) noch immer verbunden, sodass sich viele Menschen trotz grundsätzlicher Sympathie für die vegane Lebensweise noch nicht dafür entscheiden. Wie groß das Potenzial der Hürdensenkung ist, lässt eine (nicht repräsentative) Umfrage erahnen, bei der 42 % der Befragten äußerten, gerne vegan leben zu wollen, aber es noch nicht umzusetzen, weil es ihnen zu schwierig ist.

Fazit

Wir sollten uns auch über halbwegs motivierte Menschen freuen, die »nur« weniger tierliche Produkte konsumieren, denn für diese Menschen müssen nicht nur weniger Tiere leiden und sterben – sie sorgen mit ihrer Nachfragemacht auch dafür, dass wir von einem immer größer werdenden veganen Angebot profitieren, es immer leichter wird, vegan zu leben und sich immer mehr Menschen für die vegane Ernährung (und Lebensweise) entscheiden.

Irgendwann ist dann das vegane Angebot so groß und gut, dass eine mittelmäßige Motivation schon ausreicht, um die vegane Lebensweise umzusetzen. Nicht nur diese Mechanismen des Markts helfen hier, sondern auch ein gut belegtes Prinzip aus der Psychologie: Wenn es leicht umzusetzen ist, dann tendieren Menschen dazu, sich konsequent zu verhalten. Und eine grundsätzliche Abneigung gegen Leid und das Töten von Tieren haben zum Glück sehr viele Menschen.

Hinweis

Diese Kolumne von unserem Geschäftsführer Mahi Klosterhalfen ist zuerst im vegan magazin erschienen und wurde für die Veröffentlichung hier leicht überarbeitet.

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