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Bayerische Schlachthöfe: Untragbare Bedingungen

Bei der Schlachtung von Tieren herrschen untragbare Bedingungen – darauf haben wir in den vergangenen Jahren wiederholt hingewiesen. Eine Anfang des Jahres veröffentlichte Doktorarbeit von Tanya Reymann bestätigt diese Einschätzung noch einmal deutlich. Im Rahmen der Studie wurden 20 zufällig ausgewählte bayrische Schlachthöfe kontrolliert, in denen hauptsächlich Schweine und Rinder geschlachtet wurden. Sie dokumentiert erschreckende Zustände: Es wurden viele gravierende Mängel und massive Verstöße festgestellt, die über den unweigerlichen Tod im Schlachthof hinaus direkt zu vermeidbaren Schmerzen, Leiden oder Schäden für die Tiere führten.

Das Leid beginnt schon bei der Anlieferung

Manche Tiere befanden sich der Studie zufolge bereits bei der Ankunft in den Schlachthöfen in einem entsetzlichen Zustand. Festgestellt wurden beispielsweise überlange Klauen, faustgroße Nabelbrüche, blutende Verletzungen, ein eingewachsenes Halfter und Umfangsvermehrungen an Gelenken. Bei einigen Kühen floss Milch aus den Eutern. Dies ist ein Zeichen dafür, dass ihr volles Euter umgehend hätte gemolken werden müssen, um Schmerzen zu verhindern. Lahme, abgemagerte oder verletzte Tiere mussten ohne medizinische Versorgung auf die Schlachtung warten, obwohl sie laut Tierschutz-Schlachtverordnung priorisiert hätten behandelt werden müssen.

Die Studie zeigt, dass die Schlachttiere teilweise bis zu zwölf Stunden warten mussten. Währenddessen wurden sie häufig nur unzureichend versorgt. Rinder wurden typischerweise direkt in enge Treibgänge gesperrt, in denen eine artgerechte Versorgung generell nicht möglich ist. Eine eigentlich selbstverständliche Wasserversorgung stellten gerade einmal 13 der insgesamt 20 Schlachthöfe zur Verfügung; in drei Betrieben waren nicht einmal Tränken installiert.

Viele Verletzungsrisiken sind vermeidbar

Von den Buchteneinrichtungen im Wartebereich, Treibgängen oder Betäubungsfallen gingen der Studie zufolge teilweise direkte Verletzungsgefahren aus, da sie falsch konstruiert oder beschädigt waren. Die Tiere rutschten regelmäßig auf dem glatten und mit Kot verschmutzten Boden aus. Vermeidbare Hindernisse führten dazu, dass sie ins Stocken gerieten oder beim Treiben zurückwichen. Etwa 10 % der beobachteten Tiere wurden mit einem Elektrotreiber getrieben – darunter waren auch Tiere, die bereits eigenständig liefen und nicht mehr hätten getrieben werden müssen. Elektrotreiber wurden auch an Stellen angesetzt, wo sie eigentlich verboten sind – etwa am Rücken oder im Gesicht. Insgesamt beobachteten die Kontrolleure in vier Betrieben offensichtliche Gewaltanwendungen. Ein Schlachthofarbeiter trat sogar gewaltsam auf ein Schwein ein.

Etliche Mitarbeiter missbrauchten mechanisch absenkbare Türen zum Vorwärtstreiben der Tiere. Häufig bewegten sich die Tiere erst nach mehreren Anläufen in die gewünschte Richtung – bis dahin wurden die metallenen Falltüren immer wieder auf die Rücken der Tiere hinabgelassen. In einem der Schlachthöfe setzte ein Mitarbeiter sogar ein mechanisches Schiebeschild als brutale Treibhilfe ein. Er klemmte Tiere am Hals, am Bauch oder am Bein damit ein, um sie dann vorwärts in die Betäubungsfalle zu schleifen.

Teilweise herrschte in den kontrollierten Schlachtbetrieben starker Lärm, der zu Stress und Angst führen kann. Gerade schwergängige oder alte Metallverriegelungen verursachten wiederholt einen lauten Knall bei jedem Schließen; manche Betäubungsanlagen der Schlachthöfe gaben schrille, pfeifende Töne von sich. Mitarbeiter schlugen sogar mit Absicht lärmend auf Metallrohre. Schweine schrien besonders bei gewaltsamen und ungeduldigen Treibern, sodass der Lärmpegel noch weiter anstieg.

Gravierende Fehler bei der Betäubung

Fast ein Zehntel der kontrollierten Schweine wurde der Studie zufolge nicht ausreichend betäubt. Dies liegt bei der elektrischen Betäubung an einem falschen Ansatz der Elektrozangen, der darüber hinaus zu starken Schmerzen führt. Wird in solchen Fällen nicht nachbetäubt, erleben die Tiere den anschließenden schmerzhaften Entblutestich bei vollem Bewusstsein mit.

Die ungenügenden Betäubungen wurden häufig von den Mitarbeitern der Schlachthöfe nicht erkannt oder gar bewusst ignoriert. Erst nach Aufforderung durch das Kontrollpersonal wurden Nachbetäubungen vorgenommen. Viele Betäubungsgeräte wiesen starke Verschleißspuren, Rost sowie kaputte Gummis auf und wurden, wenn überhaupt, nur unregelmäßig gereinigt oder kontrolliert. Die Studie führt auf, dass häufig keine Ersatzgeräte oder lediglich nicht einsatzbereite Geräte für die Nachbetäubung bereitstanden.

Die gesetzlich vorgegebenen Zeiten zwischen Betäubung und Entblutestich wurden in den besuchten Betrieben mehrfach überschritten – dies kann dazu führen, dass die Tiere vor oder während der Entblutung das Bewusstsein wiedererlangen. Weiterführende Schlachtarbeiten wurden bei manchen Tieren noch während des Ausblutens durchgeführt, als sie noch nicht sicher tot waren. Ein Schwein zeigte sogar noch Schnappatmung, bevor es in die Brühung geschoben wurde – dort werden die Tierkörper mit heißem Wasser oder Dampf für die anschließende Enthaarung vorbereitet.

Viele der kontrollierten Schlachthöfe konnten nur ungenügende oder unpassende Nachweise über die Sachkunde ihrer Mitarbeiter vorlegen. Manche gaben falsche Dokumentationen von Wartungs- und Reinigungsarbeiten an, die augenscheinlich nicht durchgeführt worden waren.

Fazit

Die Untersuchung bayrischer Schlachthöfe zeigt vor allem in den folgenden Bereichen viele gravierende Probleme auf:

  • Fehler bei der Betäubung und Tötung,
  • Fehlverhalten der Mitarbeiter,
  • ungenügende Unterbringung und Versorgung der Tiere,
  • baulich bedingte und technische Mängel der Anlagen,
  • fehlende oder lückenhafte Sachkundenachweise und/oder Dokumentierung.

18 der insgesamt 20 kontrollierten Schlachthöfe in Bayern wiesen in den verschiedenen Bereichen Mängel auf. Das Fazit der Studien-Autorin Reymann fällt entsprechend deutlich aus: Sie ist »der Meinung, dass der Tierschutz in Schlachtbetrieben deutlich verbessert werden kann, und auf Grund der [...] erheblichen Defizite auch dringend verbessert werden muss.«

Man kann davon ausgehen, dass eine deutschlandweite Untersuchung ähnlich erschreckende Zustände aufdecken würde. Tierschutzmängel gehören offensichtlich noch immer zum Schlachtalltag in Deutschland. Erst im vergangenen Jahr haben wir mit einer Petition an Landwirtschaftsminister Schmidt darauf aufmerksam gemacht. Solange Tiere noch geschlachtet werden, muss die Politik dringend die Initiative ergreifen und dafür sorgen, dass die tierschutzrechtlichen Vorgaben in den Schlachthöfen eingehalten werden.

Die weitere Entwicklung

Nachdem die schwerwiegenden Tierschutzverstöße bekannt geworden waren, hat die bayerische Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf Nachkontrollen der betroffenen Betriebe in Auftrag gegeben. Das ernüchternde Ergebnis im Dezember 2016: Drei von zehn Schlachtbetrieben fielen erneut durch »gravierende« Mängel« auf. Bei anderen ist von »geringgradigen bis mittelgradigen Gesamtmängeln« die Rede.

Die Ministerin kündigte daraufhin an, die Kontrollen in Bayern schlagkräftiger gestalten zu wollen. Dazu will sie bis Anfang 2018 eine neue Kontrollbehörde schaffen, die für alle Betriebe in Bayern zuständig sein soll – bisher sind noch die Städte und Landkreise für die Überwachung der Schlachtung verantwortlich. Für die Übergangszeit hat die Ministerin ein neues »Sonderkontrollprojekt Tierschutz« eingerichtet, das vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) durchgeführt wird. Im Rahmen des Projekts sollen im Jahr 2017 insgesamt 30 bayerische Betriebe unangekündigt kontrolliert werden.

Im Februar 2017 veröffentlichte das Amt die unbefriedigenden Ergebnisse der ersten Sonderkontrolle. Die Prüfer stießen demnach in fast jedem dritten Betrieb erneut auf gravierende Mängel. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, waren Mitarbeiter eines Schlachthofs teilweise nicht einmal in der Lage, eine unzureichende Betäubung zu erkennen. Dementsprechend führten sie auch keine Nachbetäubung bei den betroffenen Schweinen durch.

Scharf hatte betont, dass die 2016 bekannt gewordenen Mängel »ausnahmslos und nachhaltig abgestellt werden« müssten. Die aktuellen Ergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass die bisherigen Aufforderungen seitens des Ministeriums und die bereits eingeleiteten Bußgeldverfahren wenig bis keine Wirkung erzielen. Inwiefern die angekündigte neue Kontrollbehörde die unhaltbaren Zustände in bayerischen Schlachtbetrieben abstellen kann, bleibt abzuwarten.

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